Die Schule folgt einem strengen Stundenplan, für Kinder gibt es kaum Freiraum, sich kreativ auszuleben. Titus Dittmann ist sich sicher: Es fehlt die Balance. Warum er mehr kreative Freiheit für Schüler einfordert, warum das Skateboard Menschen zusammenbringt und gerade Kindern Selbstbestimmung ermöglicht, habe ich im Interview erfahren.
Bärti: Sie haben das Skateboard erst 1977 entdeckt und waren direkt fasziniert. Welche positiven Effekte hat das Skateboardfahren auf Kinder und Erwachsene?
Titus Dittmann: Der größte ist, dass es den Kids selbstbestimmte, erwachsenenfreie Räume beschert, die unheimlich wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung sind: sich selbst Ziele zu stecken, daran zu arbeiten, sie auch zu erreichen, auf dem Weg dorthin, Mut, Biss und auch Frustrationstoleranz zu entwickeln und natürlich hinterher den Erfolg zu genießen. Das alles prägt einen jungen Menschen und macht ihn stark, ist aber in einer Welt, in der Erwachsene alles vorgeben und für die Kinder durchplanen, kaum möglich.
Bärti: In Ihrem Buch schreiben Sie folgendes: „Unbeobachtet sein… Heute nicht mehr dran zu denken“. Wie können sich die Kinder in der heutigen Zeit „die Erwachsenen vom Leib halten“, wie Sie es als Kind taten?
Titus Dittmann: Das ist ganz schön schwierig, weil die Eltern ja nur das Beste für ihr Kind wollen und ihm eine entsprechende Dauerförderung angedeihen lassen. Die Kinder können natürlich auch Freiräume einfordern, aber der erste Schritt wäre, wenn Eltern sie ihnen wieder ganz selbstverständlich zugestehen.
„Ich will das System Schule nicht umkrempeln, auch fremdbestimmt erlerntes Wissen ist wichtig für das Leben. Schüler sollten mehr Freiheiten erhalten, ihren Leidenschaften nachzugehen, in eigenen Projekten, die der Gong nicht nach 45 Minuten beendet.”
Bärti: Sie waren selbst Lehrer. Heute stellen Sie fest, dass die „Schule kein Ort der Selbstbestimmung“ ist. Hätten Sie eine Idee, wie sich das System Schule umgestalten lässt?
Titus Dittmann: Ich will das System Schule nicht umkrempeln, auch fremdbestimmt erlerntes Wissen ist wichtig für das Leben. Aber die richtige Balance fehlt in meinen Augen. Schüler sollten mehr Freiheiten erhalten, ihren Leidenschaften nachzugehen, in eigenen Projekten, die der Gong nicht nach 45 Minuten beendet. Da kann man vieles wunderbar verknüpfen und an einigen Schulen wird das ja auch schon gefördert. Kurzum: Mehr Kür, weniger Pflicht!
Bärti: Sie waren in Ihrer Schulzeit nicht der größte Fan vom Lernen. Wie haben Sie dennoch die Kurve bekommen und welche Tipps haben Sie für mehr Motivation für unsere Leser?
Titus Dittmann: Ich war schon ein Fan vom Lernen, aber nur dann, wenn mich die Themen auch selbst interessiert haben. Und in dem Zusammenhang ist es so wichtig, das zu finden, was einen begeistert, wofür man brennt. Und natürlich die Freiheit und Zeit, dem auch nachgehen zu können. Mit dieser intrinsischen Motivation kann man dann gar nicht mehr genug kriegen vom Lernen.
„Skateboarding ist einfach global und universell, unterscheidet nicht nach Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder sozialem Status.”
Bärti: Die Welt wird immer digitaler und der Internet- und Smartphone-Konsum steigt. Warum ist der sportliche Ausgleich für Kinder so wichtig?
Titus Dittmann: Ich verteufele das Digitale, Handynutzung & Co. nicht. Aber auch hier kommt es auf die richtige Balance an. Ein gesunder Geist steckt in einem gesunden Körper, wussten schon die alten Römer. Und dafür ist Bewegung, Sport einfach wichtig. Das Lernen fällt auch viel leichter, wenn der Körper erstmal arbeiten durfte. Das sehe ich ganz wunderbar bei unserem Projekt „Skaten statt Ritalin!“. Prima, wenn die Kids dann nach dem Skateboard fahren die Ruhe finden, sich konzentriert an die Hausaufgaben zu setzen. Es wäre aber kaum Ausgleich nötig, wenn das System Schule aus dem preußischen Grundgedanken der Schule rauskäme und nicht Stillsitzen beim Lernen als Tugend erzwingen würde.
Bärti: Warum eignet sich gerade das Skateboard auch für internationale Projekte wie den Skateboard-Park in Bethlehem?
Titus Dittmann: Skateboarding ist einfach global und universell, unterscheidet nicht nach Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder sozialem Status. Im Gegenteil, es verbindet. Und das macht es zu so einem genialen Werkzeug in unseren Projekten, gerade in den Ländern, wo Konflikte dominieren.
Bärti: Welches Ihrer skate-aid Projekte liegt Ihnen ganz besonders am Herzen?
Titus Dittmann: Alle, aber ganz besonders stolz bin ich auf das Projekt in Damaskus, wo wir im Sommer 2019 einen Skatepark eröffnet haben. Gerade die Kids, die in Kriegsgebieten von der Weltgemeinschaft vergessen werden, lieben das Skateboarden, und es bringt sie alle zusammen.
Fotos: Benevento Books, Martin Lukas Kim, Maurice Ressel